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Sonntag, 2. Januar 2005
Heiter unter missmutigem Gaudi-Publikum
Heute war "Finissage" - der letzte Tag der Gaudi-Ausstellung im Paula Modersohn-Becker-Haus, ein kleines Museum, aber zu diesem Anlass relativ voll. Wir dachten beim Betreten zuerst, es ist nur ein Raum und fanden 6 Euro Eintritt dafür ziemlich happig. Ein Museumsmensch sprach: "Sie werden diesen Raum vermutlich nicht wiedererkennen". Doch ich kannte den Raum gar nicht, denn in diesem Leben werde ich wohl kaum freiwillig in eine Paula Modersohn-Ausstellung gehen. Seit meiner Schulzeit wurden wir mit dieser Person genervt - mit dem Erfolg, dass mir diese Künschtlerin Nichts sagt. Diese Worpsweder sind so schrecklich trübe, erdig und klumpig, mit Ausnahme vielleicht der Architektur.


A la Worpswedien (nicht Gaudi)

Hier war jetzt aber Gaudi, wir schoben uns durchs Getümmel, und eine der Oberausstellungsschnepfen raunzte meine Begleiterin an: "Mit dem Rucksack können sie hier aber nicht rein." In Museen und dergleichen Einrichtungen, die auf Publikum scheinbar nicht angewiesen sind, verliert man durch das Betreten zwischenzeitlich seine bürgerlichen Rechte und muss sich von wallende Wollpullover tragenden Seidenschalschnepfen anherrschen lassen. Überhaupt das Bildungsbürgertum in seiner Schnepfenhaftigkeit, wie es da versammelt war: furchtbar schlecht gekleidet, schlecht gelaunt, schlechte Sitten. Es war gelegentlich ein wenig eng, und die eingesetzte Ellenbogentechnik kannte ich sonst nur aus Discotheken oder Pop/Rockkonzerten.

Aber diese Impressionen sollten uns nicht davon abhalten, neugierig das Ausgestellte anzusehen und davon aufzunehmen, was uns gefiel. Nach dem Eingangssaal kamen doch noch einige Räume und ging es eine Wendeltreppe hinauf und dort weiter. Man sah Modelle, Fotos, Skizzen Gaudis, Möbelstücke und Türen. Als Tischler würde ich Gaudi entlassen. Nun ja, Geschmäcker sind verschieden und barocke Opulenz ist nicht meines.


Sagrada Familia Fotos aus dem Internetz

Frappierend bei Gaudis Architektur: die überraschenden Durchbrüche und Öffnungen, die meinem vulgären Statikempfinden zunächst unhaltbar erschienen. Aber wenn man die Ableitungslinien der statischen Kräfte aufmerksam verfolgte, so war alles wunderbar gefügt, wie bei einem Insekt oder einem fabelhaften Tiefseewesen, das man erst kürzlich auf einer Tauchfahrt in großer schwarzer Tiefe entdeckte. Das sind die lichten Aspekte seiner Werke. Genauso findet man aber auch schwülstige, dunkle, teils schwer religiöse Eigenschaften, die mir - schlicht gesagt - nicht gefallen. Ich würde mir, wenn ich könnte, die Rosinen rauspicken. Als allseits bekannte Postkartenmotive fungieren ja auch nur die beschwingten, bunten, freien Schöpfungen des katholischen Meisters.

Meine Begleiterin und Gaudis Rosinen haben mir jedenfalls den Tag versüßt, worauf sich im Café de Paris (wer kommt auf solche Namen?!) Apfelkuchen mit Sahne sehr passend anschloss.

Zuhause war ich wieder etwas nervös, angesichts der anstehenden Arbeitswoche hätte ich am liebsten das Alles fortgesetzt, ungeduldig, sofort, "schnell, was kann man noch machen?"
Den Fernseher habe ich wieder ausgemacht. Bestimmt wird das Programm durch die Gebührenerhöhung in Zukunft besser. Jetzt lockt der Abwasch.

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