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Sonntag, 20. November 2005
Wie gut, dass es das Gute gibt
Im Zug findet man oft Verbündete. Respekt in vorsichtig. Wie die holländische Studentin, die deutsches Recht aus niederländischen Büchern lernt und mir die Spartickets der Deutschen Bahn erklärt. Der Fotograf aus Hannover, mit dem ich über die ewigen Verspätungen und Komplikationen in Frankfurt lache.



Reisen durch die Landschaft, auf einer Spur. Die Gegend zerschneiden. Über die Aller bei Verden, voller Vorfreude. Ungewissheit, zugleich Sicherheit. Der Zug fährt ein, ich steige offenbar an der falschen Stelle aus, denn man hat gar keine Gelegenheit, mich zu filmen. Unbemerkt komme ich heran und klopfe auf die Schulter. Sekundenbruchteile, ein, zwei Sätze gewechselt, kein Anlass zu Unsicherheit! Es wird ein schöner Tag. Schlendern durch unbekannte Quartiere, zum Flohmarkt am Leineufer. Handgeschriebene Rezepte und Wehrmachtsberichte, ein bisschen weiter quietschbunte Schallplatten von Wim Thoelkes "Großen Preis" (gerade mal 30 Jahre später). Es ist schneidend kalt (man ist noch nichts gewöhnt, diesen Winter), die Aloakkus frieren, aber man könnte ewig so rumlaufen. Banalitäten, Beiläufigkeiten übers Bloggen, kuriöse Gebrauchtwaren. Der "Gastgeber" in der Pflicht, man muss sich entscheiden, hierhin oder dorthin oder dort ... keine Sorge, wir kommen gerne wieder ... führt uns in die wärmende Teestube.



Eine gelungene Begegnung aus der Distanz. Vorgetastet durch hunderte Spuren und Abzweigungen in den Blogs, oft auch in fremden. Man sieht nicht den Menschen schwarz auf weiß in seinem Blog. Es ist subtiler. Das ist hier, bei Tee und Kaffee, klar. Und die Zeit leider viel zu kurz, mehr darüber zu reden. Noch eine Dreiviertelstunde bis zum Zug, noch ein bisschen durch Hannover irren, man könnte noch viel mehr sehen, und unternehmen, und reden. Der Abschied am Bahnsteig, kurz, aber dankbar. Es wird dunkel.



Im Abteil dieser merkwürdigen 80er-Jahre-Plastik-"Interregio"-Züge sitzen zwei alte Damen, Schwestern, die ältere der Alten eine kleine, gebückte, runde Hutzeloma mit silbernem Dutt. Die Beleuchtung defekt, spärlich. Auf dem Tisch ausgebreitet verschiedenster Proviant in Zeitungspapier, Servietten, Beuteln und "Staniol", wie sie früher sagten. Die Alte, kleine, schnitt immer ein Stückchen von der Schwarzbrotscheibe, dann von der Tomate und reichte es der Jüngeren. Danach lasen sie Weihnachtslektüre: Kurzgeschichten die Jüngere, Lieder die Ältere, die sich einzelne Zeilen auf einen vergilbten Zettel notierte. Die zwei waren mit sich einverstanden, und ich mit ihnen. Und mit meinem Tag sowieso.

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Schöner kl. Reisebericht.
Gerne auch "Staniolpapier", nach Gebrauch glätten und zusammenfalten.

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